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Unterrichtsmaterial

Erfahrungen machen, Entscheidungen treffen

Interview mit Dr. Ewald Mittelstädt, Akademischer Rat am Lehrstuhl Wirtschaftswissenschaft und Ökonomische Bildung der Technischen Universität Dortmund.

Foto von Dr. Ewald Mittelstädt

Wenn man Wirtschaftsplanspiele mit anderen Methoden der ökonomischen Bildung vergleicht:
Welches sind ihre Stärken?

Dr. Mittelstädt: Eine ganz große Stärke des Planspiels ist, dass es das vernetzte Denken besonders fördert. Es spielt eine große Rolle, dass man Zusammenhänge begreifen muss und dass man sich in eine Lernumwelt hinein begibt, die zunächst einmal ziemlich kompliziert und komplex erscheint. Planspiele helfen dadurch, diese Komplexität zu erfassen, dass sie in der Regel mehrere Runden umfassen. Bei jeder Runde kann man Erfahrungen sammeln, kann diese reflektieren, etwas daraus lernen, kann das Gelernte anwenden und bekommt ein erneutes Feedback. Außerdem fördern sie gruppendynamische Prozesse. Man muss sich erstens in seiner Spielgruppe abstimmen, und man spielt zweitens meistens im Wettbewerb. Und das alles ist im Klassenraum machbar. Das ist bei weitem nicht mit allen Methoden der ökonomischen Bildung so.

Teamarbeit, Erfahrungen sammeln: Darauf zielen auch beispielsweise Schülerfirmen oder Wettbewerbe ab.

Dr. Mittelstädt: Stimmt. Bei Planspielen kommen aber noch zwei wichtige Punkte dazu. Man kann mit Ihrer Hilfe nämlich Zeit raffen. Durch das Virtuelle oder Modellhafte der Simulation ist es möglich, an wenigen Schultagen Erfahrungen zu machen, für die man ansonsten fünf Jahre lang beispielsweise ein Unternehmen führen müsste. Und dadurch, dass die Realität in Planspielen ganz systematisch modelliert ist, ist es möglich, Schwerpunkte zu legen, damit ganz bestimmte Dinge erfahrbar werden. Wenn ich zum Beispiel im Modell die Energiepreise sehr stark steigen lasse, was vielleicht innerhalb eines kurzen Zeitraums in der Realität nicht der Fall wäre, kann ich zeigen, welche Auswirkungen das für ein Unternehmen oder einen privaten Haushalt hat. Auf diese Weise kann man bestimmte didaktische Ziele sehr gut verfolgen.
Für welche Themen und welche Unterrichtssituationen sind Planspiele eher geeignet als andere methodische Wege?
Dr. Mittelstädt: Ich würde nicht raten, dass man bei bestimmten Unterrichtsthemen nur auf Planspiele setzt. Denn dieser Vorteil, den Planspiele haben, dass sie eben Realität modellieren und simulieren, ist natürlich auch ihr Nachteil. Ein Methodenmix, ist eigentlich der beste Weg.

Wie kann ein Methodenmix mit Wirtschaftsplanspielen aussehen?

Dr. Mittelstädt: Ich würde bei einem Unterrichtsvorhaben versuchen, das Lernen in der Realität zu beginnen. Indem man Schülerinnen und Schüler beispielsweise zuerst eine Unternehmen erkunden lässt. Oder indem man einen Experten in den Unterricht einlädt, vielleicht einen Gründer, der etwas über seine Gründung erzählt. Die Simulation im Planspiel kann man dann dafür nutzen, die Erfahrungen zu systematisieren und in einen größeren Zusammenhang einzuordnen.
In einem dritten Schritt könnten Schülerinnen und Schüler dann ihre Erkenntnisse wiederum an der Realität auszuprobieren, vielleicht eine Schülerfirma gründen, um eigene unternehmerische oder Gründer-Erfahrungen zu sammeln. Diesen Dreischritt halte ich für sehr sinnvoll: Realität – Simulation – Realität.

Mit welchen Problemen muss man beim Einsatz von Planspielen rechnen?

Dr. Mittelstädt: Beispielsweise mit Überforderung. Gerade wenn Planspiele eine Lernumwelt relativ komplex gestalten, damit sie möglichst realistisch ist, werden sie zwangsläufig auch sehr kompliziert und schwer durchschaubar. Das kann bei Schülerinnen und Schülern zu einem gewissen Widerstand oder einer Verunsicherung führen. Auf die muss man als Lehrkraft eingehen. Außerdem muss man einkalkulieren, dass viele Prozesse in Spielgruppen schwer zu beobachten sind. Es kann also sein, dass einzelne Angehörige einer Gruppe abtauchen und die Anderen machen lassen. Oder dass eine Lerngruppe, die innerhalb einer halben Stunde etwas ausarbeiten und dann die nächste Spielentscheidung treffen soll, sich mit etwas ganz Anderem beschäftigt und dann irgendeine Eingabe in der Computer macht. Nehmen Sie beispielsweise einen Preis für ein Produkt: Da kann man sich natürlich sehr viele Gedanken dazu machen, Berechnungen anstellen oder diskutieren. Oder am Ende einfach eine willkürliche Zahl nehmen, einfach den Preis vom Vorjahr. Meistens liegt man damit gar nicht so schlecht, so dass die Lehrkraft gar nicht bemerkt, was in der Gruppe läuft. Oder nicht läuft. Hier können Lerntagebücher helfen. Lerntagebücher sind eine Art Rechenschaftsbericht. In sie hinein müssen Schülerinnen und Schüler notieren, was sie in den einzelnen Spielrunden getan haben. Und wenn sie sich darüber Gedanken machen müssen, kommt es in der Regel zu den gewünschten Lerneffekten.