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Unterrichtsmaterial

Lösung von komplexen Problemstellungen

Interview mit Prof. Dr. Dr. h.c. Hans Kaminski, Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg

Foto von Prof. Dr. Dr. h.c. Hans Kaminski

Warum sind Schülerfirmen im Rahmen der ökonomischen Bildung von besonderer Bedeutung?

Prof. Kaminski: Die Schülerfirma ist zunächst eine pädagogische Methode. Sie ist kein Konkurrenzunternehmen zu einem Unternehmen in der Region. Ein Schülerunternehmen, das von Schülern geplant, entwickelt und geführt wird, verlangt ihnen vielerlei ökonomische Kenntnisse ab: Wie kommen wir zu einer Geschäftsidee? Welche Funktion hat der Unternehmer? Welche Aufgaben hat ein Unternehmen? Was sind betriebliche Leistungsfunktionen? Was müssen wir über Organisation wissen? Wie wird Werbung gemacht? Es wird nicht zerstückeltes Wissen verlangt, sondern Wissen für die Lösung von komplexen Problemstellungen. Im Vergleich zur Methode des Wirtschaftsplanspiels beispielsweise, mit der Sie Schüler fördern, ökonomische Entscheidungen zu treffen, bieten Schülerfirmen einen organisatorischen und didaktischen Gesamtrahmen, der schon sehr viel realitätsnaher ist. Das bedeutet nicht, dass ein Planspiel eine schlechtere Methode ist, sondern sie hat einen anderen Charakter. Für welche Methode man sich entscheidet, ist abhängig davon, welche Möglichkeiten an der Schule bestehen und welche Kompetenzen besonders gefördert werden sollen.

Wie wirken Schülerfirmen bei der Berufsorientierung?

Prof. Kaminski: Jede Schülerfirma ist für die betroffene Schülergruppe ein Trainingsfeld. Im Verlauf der Arbeit wird sehr schnell offenkundig, dass bestimmte Schüler bestimmte Dinge besser können als andere: Die einen können Ideen entwickeln, die anderen sind darin hervorragend, etwas zu organisieren und das Rechnungswesen für die Firma aufzubauen. Der Dritte ist ein blendender Verkäufer. Unterschiedliche Anforderungsprofile, so wie es auch im realen Leben ist, sind auch in einer Schülerfirma zumindest testbar und so etwas wie Probehandeln. Insofern ist eine Schülerfirma für die Betroffenen schon eine wichtige Hilfe, das Spektrum ihrer Fähigkeiten im Hinblick auf berufliche Anforderungen auszuloten, ohne die vielen verschiedenen Ausbildungsberufe dabei im
Hinterkopf haben zu müssen.

Welche besonderen Anforderungen stellt die Betreuung von Schülerfirmen an Lehrerinnen und Lehrer?

Prof. Kaminski: Lehrerinnen und Lehrer schlüpfen in die Rolle als Berater für ihre eigenen Schüler. Wenn sie diese Beratungsfunktion wahrnehmen wollen, müssen sie etwas von Betriebswirtschaft verstehen. Sonst wissen sie nicht, wie sie fachliche und fachdidaktische Hilfestellung geben sollen. Das ist zum Teil noch ein relativ großes Problem. Sie müssen die Schüler auch im Hinblick auf persönliche soziale qualifikatorische Eigenschaften unterstützen können, auf Leistungsorientierung, Kreativität und Teamorientierung und sie benötigen z. B. diagnostische Fähigkeiten. Alles, was sie den Schülern abverlangen, sollten sie auch in der Lage sein, selbst zu tun.

Hohe Fachkompetenz steigert auch die didaktische Souveränität, mit Schülern zu arbeiten. Als Lehrkraft werden sie den regionalen Wirtschaftsraum kennen müssen. Sie müssen sehr gezielt Erkundungen vorbereiten, durchführen und im Hinblick auf die Schülerfirmenarbeit auswerten und Ergebnisse anwenden können. So ernst, wie eine Lehrkraft die Arbeit in einer Schülerfirma nimmt, so ernst werden dies die Schüler tun. Dieses Wissen muss man nicht zwingend im Erststudium erwerben. Es gibt vielerlei Fort- und Weiterbildungs-Angebote in den einzelnen Bundesländern.

Funktioniert die Methode „Schülerfirma“ in jeder Schulform und für alle Schülerinnen und Schüler?

Prof. Kaminski: Eine Schülerfirma ist nicht eine Frage der Schulform, sondern des Konzepts und der Ausrichtung des Konzepts auf eine Zielgruppe. Und dieses Konzept muss die jeweiligen Rahmenbedingungen der Schule berücksichtigen, d. h. die didaktische Konzeption der Schülerfirma muss der Zielgruppe angepasst werden. Man kann nicht alles mit allen machen. Aus meinen zahlreichen Erfahrungen mit Hauptschülern weiß ich z. B. mit welcher Begeisterung die jungen Menschen hier an sehr konkreten Dingen arbeiten, da kommen tolle Ergebnisse zustande.

Welche besonderen Anforderungen stellt das Angebot von Schülerunternehmen an die Schulleitungen?

Prof. Kaminski: Eine Schülerfirma darf kein frei schwebendes Partikelchen im Schulalltag sein. Man muss vielmehr versuchen, sie an Trägerfächer anzubinden, noch besser an ein Fach Ökonomie, weil damit die fachliche Kompetenz eher abgesichert werden kann. Die Schulleitung muss unter dem Strich dafür sorgen, dass eine didaktische Support-Infrastruktur aufgebaut wird, die die Betreuer der Schülerfirmen bei ihrer nicht einfachen Aufgabe unterstützt. Wie immer, der Fisch stinkt vom Kopf her.