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04.01.2023

Sterneküche macht Schule: Wie Starkoch Stefan Marquard junge Menschen für das Kochen begeistert

Seit acht Jahren reist der ehemalige Sternekoch Stefan Marquard durch deutsche Schulen, um Kindern und Jugendlichen das Kochen näher zu bringen – und erklärt, wie man wirtschaftlich professionell kocht.

Am Herd in der Küche eines Restaurants geht es meist hoch her. Wenn es um Sekunden geht und hungrige Gäste auf das Essen warten, muss man sich Gehör verschaffen. Stefan Marquard musste nicht groß lernen, sich durchzusetzen. Ihm ist das Temperament in die Wiege gelegt. Als einer der ersten Köche des Landes präsentierte er seine Raffinesse mit den „Kochprofis“ ab 2005 im Fernsehen. Da war er gerade vom Guide Michelin für seine Künste in seinem Restaurant „Drei Stuben“ in Meersburg am Bodensee mit einem Stern ausgezeichnet worden. Inzwischen hat Marquard diesen Ruhm eingetauscht gegen die Arbeit mit Kindern. Seit acht Jahren fährt er bundesweit von Schule zu Schule und bringt Kindern ab dem Grundschulalter das Kochen näher. „Sterneküche macht Schule“ heißt das Projekt, das seit sieben Jahren von der Knappschaft finanziert und unterstützt wird. Weit mehr als 100 Schulen hat der gebürtige Bayer inzwischen besucht. Das Feedback ist überwältigend, der Andrang der Schulen enorm.

Wer jetzt glaubt, die Schülerinnen und Schüler müssten zu den Veranstaltungen gezwungen werden, der täuscht sich. Marquard ist einer, der gut mit Kindern und Jugendlichen kann. Seine lockere, ungezwungene Art ist ein Türöffner zu Jung und Alt. „Ich kommuniziere mit den jungen Leuten immer auf Augenhöhe. In der Küche stehen wir alle auf einer Stufe. Ich bin mit allen per Du. Egal, ob das ein Sechsjähriger ist oder eine 15-Jährige“, sagt Marquard. Wenn man ihnen zuhört und sie ernst nimmt, so Marquard, hat man ihre Herzen schon gewonnen. Sein Ziel: eine gesunde Ernährung für Kinder und Jugendliche. Er hat sich vorgenommen, die „Verpflegungssituation an deutschen Schulen“ zu verbessern. Daher will er dem Fachpersonal, Schülerinnen, Schülern und Lehrkräften konkrete Verbesserungsvorschläge für gesunde Ernährung an die Hand geben.

Und dabei geht es ihm nicht nur darum, einen Tag lang mit den Jugendlichen zu kochen und ihnen einige Handgriffe beizubringen. Er will sie auch in die Lage versetzen, wirtschaftlich zu denken und zu handeln. An vielen Schulen betreiben die Schüler über sogenannte Arbeitsgemeinschaften ihre Mensa selbst. Auf seine eigene Art zeigt er der Küchencrew, wie sie effizienter einkaufen, schonender zubereiten und so frisches und gesundes Essen auf den Mensatisch bringen können. Und auch die Optimierung der Einkaufsplanung und Lagerung der Nahrungsmittel bringt er ihnen näher. „In den Schul-AGs kochen die jungen Leute nicht nur für Schülerinnen und Schüler, sondern machen auch teilweise Veranstaltungen. Dafür müssen sie alle Kalkulationen erstellen, Angebote schreiben, das Marketing machen. Das ist Jungunternehmertum vom Feinsten“, sagt Marquard voller Bewunderung.

Zusammen mit seinem Bruder hat er in den vergangenen Jahren, eine völlig neue, gesündere und in jeder Hinsicht effizienter Weise zu kochen entwickelt. Dabei „aktiviert“ Marquard die Lebensmittel, bevor er sie gart. Vor der eigentlichen Zubereitung werden die Produkte mit einer Salz-Zucker-Mischung im Verhältnis 5:1 gewürzt. Dadurch kann die Garzeit bei Gemüse um etwa 75 Prozent reduziert werden. Wichtige Vitamine, Mineralien und Spurenelemente bleiben erhalten. Außerdem verstärkt diese Behandlung den Eigengeschmack deutlich – auch von Fleisch und Fisch – da die Gewürze im Rohzustand besser in das jeweilige Lebensmittel einziehen können.

Damit reduziert er den Gewichtsverlust beim Kochen auf nahezu null. „Wenn ein Koch eine Hähnchenbrust macht, verliert die durch die Zubereitung bis zu 40 Prozent an Gewicht. Mit meiner Methode gibt es fast keinen Gewichtsverlust. Das ist wie eine Lizenz zum Gelddrucken“, sagt der 58-Jährige, weil man weniger Produkte für die gleiche Menge brauche.

Die Kinder saugen seine Weisheiten auf, wie ein Schwamm. Dass gesundes Essen auch schmackhaft sein kann, muss er ihnen gar nicht groß erklären. „Über Gesundheit sprechen wir gar nicht. Die jungen Leute können selbst entscheiden, was sie machen. Ich sage ihnen: Das ist euer Ding. Macht, worauf ihr Lust hat. Und dann machen die das auch. Denn nur durch Fehler lernt man.“

Der Arbeit im Restaurant oder vor der Kamera trauert der zweifache Familienvater überhaupt nicht nach. „Ich bin Koch und kein Schauspieler“, sagt er. Die Arbeit mit den Kindern empfindet er als seine Lebensaufgabe. Er will eine Generation hervorbringen, die wieder Lust aufs Kochen hat. Die Schülerinnen und Schüler sind seine „Agenten“, die für ihn die Begeisterung fürs Kochen in die Welt tragen sollen. „Ich sage ihnen immer am Ende eines Tages: Begeistert eure Freunde, eure Geschwister, eure Eltern dafür. Deswegen ist das so eine starke Bande zwischen uns. Wir erreichen jedes Jahr über die Medien unzählige Menschen. Und trotzdem weiß kaum jemand, was wir da draußen eigentlich tun. Das will ich unbedingt ändern“, sagt er.